NARZISSMUS
Woher der Begriff Narzissmus kommt:
Narziss ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Narziss ist ein zarter, schöner Jüngling, der bei Jungen und Mädchen Liebe erweckte, diese aber nicht erwidern konnte. Da er auch die Liebe der Nymphe Echo verschmähte, wurde er von Aphrodite damit bestraft, dass er sich in sein Spiegelbild verliebt. Auf einer seiner Wanderungen fand er eine Quelle, klar wie Silber. Er warf sich erschöpft nieder, da verliebte er sich in sein eigenes Spiegelbild. Zuerst versuchte er den schönen Knaben, den er im Wasser vor sich sah, zu umarmen und zu küssen, aber bald erkannte er sich selbst, lag da und schaute Stunde um Stunde verzückt auf das Wasser.
Wie konnte er es ertragen, seine Liebe zu besitzen und doch nicht zu besitzen? Kummer quälte ihn endlos, doch er erfreute sich an der Qual. Wenigstens wusste er, dass sein Bildnis ihm treu bliebe, was immer auch geschehe. Beim Betrachten seines Selbstbildes im Wasser schwand er vor Selbstliebe dahin und starb. Die Götter haben ihn dann in eine Narzisse verwandelt. Da sprach die Quelle: es war so schön sein Spiegelbild zu spiegeln.
Erklärungsmodell:
Narzissten sind auf sich selbst bezogene Menschen, die andere vernachlässigen, egoistische und egozentrische Wesensmerkmale zeigen. Der Eigennutz geht ihnen vor Gemeinwohl und wenn sie lieben, dann nur, um selber geliebt zu werden. Narzissmus bedeutet aber wesentlich mehr als eine schlichte Selbstliebe, Narzissmus ist eine innere Bezogenheit auf das Selbst, um ein inneres Gleichgewicht, Wohlbehagen und Selbstsicherheit aufrechtzuerhalten. Narzissmus ist daher nicht zwangsläufig abnorm oder krankhaft.
Man unterscheidet positiven und negativen Narzissmus:
„Positiver Narzissmus“ meint eine positive Einstellung zu sich selbst, die ein stabiles Selbstwertgefühl bewirkt und erhält. Ein „positiver“ Narzissmus äußert sich in einer positiven Einstellung zu sich selbst, d. h. dass diese Menschen ein stabiles Selbstwertgefühl haben, das auch erhalten bleibt, wenn es Rückschläge gibt. Positiv narzisstische Menschen ruhen in sich selbst, strahlen Wärme aus und sind anderen zugewandt. Positiver Narzissmus ist gesunder Bestandteil einer harmonischen Persönlichkeit.
„Negativer Narzissmus“ basiert hingegen auf mangelndem Selbstwertgefühl, der auf einer Säugling-Elternteil-Beziehung beruht, die dem Kind nicht genügend Einfühlungsvermögen und Bestätigung entgegenbrachte. Ein ausgeprägter oder „negativer“ Narzissmus bedeutet, dass diese Menschen vorwiegend sich selbst zugewandt sind, ein eher passives Liebesbedürfnis haben und „lieben, nur um geliebt zu werden“. Eine Beziehung mit einem Narzissten ist geprägt vom Geben des Partners und Nehmen des Narzissten. Ein Gleichgewicht mit abwechselndem Geben und Nehmen gibt es nicht. Narzissten sind kaum oder gar nicht zu Empathie fähig (Mitgefühl mit anderen). Sie haben (fast) kein Selbstwertgefühl und sind auf ständige Bestätigung von außen angewiesen. Bleibt diese aus, kommt es zu erheblichen Problemen. Oft neigen negativ narzisstische Menschen auch dazu, andere abzuwerten, um das eigene Ego aufzuwerten.
Die pathologische Form ist die Narzisstische Persönlichkeitsstörung, die gekennzeichnet ist durch ein grandioses Gefühl eigener Wichtigkeit, Fantasien über grenzenlosen Erfolg und Macht, Glaube an eigene Besonderheit, Verlangen nach übermäßiger Bewunderung, übertriebenes Anspruchdenken, ausbeuterische Beziehungen, Empathiemangel, Neid, Arroganz. Zentrales Symptom ist ein labiles Selbstwertgefühl, häufig verbunden mit dem Gefühl von Leere und die Unfähigkeit, Gefühle, insbesondere Freude, zu empfinden. Als weitere Phänomene finden sich häufig eine erhöhte Verletzbarkeit und Kränkbarkeit sowie eine egozentrische Einstellung. Die charakteristische Haltung der vom Narzissmus Betroffenen ist eine Unbezogenheit anderen Menschen gegenüber, die als Egoismus und Arroganz in Erscheinung tritt. Ehrgeiz und übersteigerte Ansprüche an sich selbst führen häufig zu einem Erschöpfungssyndrom. Hier werden jedoch häufig nicht die eigenen Anteile gesehen, sondern äußere Ursachen wie Arbeitsumstände, der Vorgesetzte etc. verantwortlich gemacht. Die depressiven Verstimmungen wirken flach bis oberflächlich, die dabei bestehende Antriebs- und Schwunglosigkeit wird von den Betroffenen jedoch als sehr belastend erlebt. Auf der körperlichen Ebene finden sich Schlafstörungen, Kopfschmerzen, funktionelle Herzbeschwerden und Sexualstörungen. In näheren Kontakten können die Betroffenen durchaus sehr lebendig, charmant und bestrickend wirken. Insbesondere, wenn sie etwas erreichen wollen, können sie sehr manipulativ auftreten. Häufig präsentieren sie sich jedoch auch emotional kühl, arrogant und verletzend.
Psychologen der Universität von San Diego (Kalifornien) untersuchen seit 1982 den Grad an Selbstverliebtheit und Egoismus der Studenten mit dem „Narcisstic Personality“-Test. Er enthält Fragen wie: „Wenn ich die Welt regieren könnte, wäre sie ein besserer Ort?“ oder „Stehe ich gerne im Zentrum der Aufmerksamkeit?“
Die Ursachen des Narzissmus sind neben einer gewissen erblichen Disposition sind vor allem auch die familiären Verhältnisse. Narzissmus entsteht meist in der frühen Kindheit, wenn sich normalerweise das Selbstwertgefühl und die eigene Individualität entwickeln. Häufig werden später narzisstische Kinder wenig wahrgenommen („ich war wie Luft“) und in ihren Bedürfnissen nicht unterstützt oder überfordert („du bist mein großer Junge, das schaffst du auch alleine“). Oft werden sie aber auch überhütet, so dass sie keine Gelegenheit haben, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Oft ist die Mutter sehr dominant, der Vater faktisch nicht vorhanden. In Ehen, in denen es kriselt, werden die Söhne dann auch von den Müttern als „Partnerersatz“ behandelt und erwarten von ihnen jene Aufmerksamkeit und Zuwendung, die sie vom Partner nicht bekommen. So kann es später durch diese Überforderung zu einer auffälligen Diskrepanz zwischen großer Selbstsicherheit nach außen und einer inneren Unsicherheit und Kränkbarkeit kommen. Das Kind wird mit doppelten Botschaften konfrontiert, hat Schwierigkeiten sich zu orientieren und lernt das Verhalten zu präsentieren, das ihm die meisten Vorteile einbringt. Dass er auch um seiner selbst willen geliebt wird, auch wenn er keine Leistung bringt, hat der später narzisstische Mensch nie gelernt. So entwickelt sich eine starke Egozentrität. Narzisstisch gestörte Menschen neigen zum geschickten Taktieren mit wenig Rücksicht auf andere und strahlen emotionale Kälte aus.